Volksoper Wien: Gegenwart und Geschichte
Seit der Saison 2022/23 ist Lotte de Beer Direktorin der Volksoper Wien. Lesen Sie hier mehr über die Pläne und Visionen ihrer Direktionszeit.
Weiter unten lesen Sie außerdem über die faszinierende Geschichte der Volksoper Wien seit ihrer Gründung im Jahr 1898. Theaterinteressiere finden außerdem spannende Details zu unserer Technik.
Lotte de Beer über ihre Visionen für die Volksoper Wien
Mein Ziel ist es, die Volksoper ein Haus der Künstler:innen, ein Haus des Publikums nennen zu können. Ein Haus, in dem Künstler:innen singend, tanzend und spielend Geschichten erzählen; ein Haus, in dem Menschen sich verführen lassen, zum Nachdenken eingeladen werden und in dem sie hemmungslos lachen können.
Ich denke, dass in der Volksoper alle Zutaten vorhanden sind, um die Bewohner:innen von Wien zu erreichen und gleichzeitig die Welt zu inspirieren. Genau so, wie es die Musiktheaterlandschaft Wiens seit Jahrhunderten tut.
- Ein Sextant in der Zeit
Ein Sextant ist ein Instrument, mit dem man mit Hilfe von Spiegeln und Winkeln seine Position im Verhältnis zu den Himmelskörpern estimmen kann. Und mit dem sich auf See navigieren lässt. Man kann also damit feststellen, wo man ist, woher man kommt und worauf man zusteuert, um dann zu wissen, wohin man lenken muss. Das ist so ziemlich meine Definition von Theater: Dass man aus verschiedenen Blickwinkeln in den Spiegel schaut und sehen kann: Woher kommen wir, wo befinden wir uns jetzt, wie verhalten wir uns zu unserer eigenen Geschichte und wie könnte es von hier aus weitergehen?
- Brückenbauen, Verbinden
Ich will vor allem Brücken bauen. Brücken zwischen den Generationen, zwischen Tradition und Erneuerung, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Nostalgie und Utopie. Brücken zwischen dem Theater und der Stadt, der Bühne und dem Zuschauerraum, zwischen der Loge und der Galerie. Ich will diese seltsame Unterscheidung zwischen hoher Kunst und Unterhaltung hinter mir lassen und stattdessen ein Musiktheater machen, das verbindet.
- Zwischen Damals und heute
Theater findet immer im Jetzt statt. Aber die meisten Noten und Texte, die wir spielen, stammen von früher. Dieses Spannungsfeld zwischen damals und heute ist genau die Bühne, auf der wir spielen. Wir beschäftigen uns mit Themen und Geschichten aus den Jahrhunderten vor uns, aber wir stehen auch in der Tradition, sie an unsere Zeit anzupassen. Dieses Anpassen, dieses Interpretieren findet ebenfalls seit Jahrhunderten statt.
- Die Volksoper als Haus der Künstler:innen
Wonach ich immer suche, das sind Partnerschaften mit hervorragenden Geschichtenerzähler:innen, und zwar in jeder Form von Musiktheater. Wir holen die besten Regieteams von heute zu uns und bauen gleichzeitig die spannendsten Teams von morgen auf. Und last but not least: Hier im Haus selbst haben wir ein Top-Ensemble aus wahren Allround-Künstlerinnen und -Künstlern. Gemeinsam werden wir Geschichten erzählen, Fragen stellen, bezaubern, entzaubern, zum Denken anregen, Schönheit miteinander teilen. Mit dem Mittel der Kunst können wir unseren Blick auf die Welt untersuchen, hinterfragen, schärfen und dadurch auch verändern.
Es ist beeindruckend mitzuerleben, wie sich Bühnenroutiniers, debütierende Sänger:innen und junge Talente gegenseitig inspirieren. Ich liebe es, mit sehr guten Sänger:innen, intelligenten Schauspieler:innen, Teamplayern und Menschen, die etwas zu sagen haben, zu arbeiten. Und wenn man die alle zusammenbringt, spielt es keine Rolle, woher sie kommen oder wo sie gearbeitet haben. Diese Menschen teilen etwas miteinander, neben einer brennenden Liebe für den Beruf, und sie bringen sich gegenseitig zum Leuchten. Und das zu sehen ist großartig und damit arbeiten zu dürfen ist fantastisch.
- Die Volksoper als Haus des Publikums
Wir streben nach einer „Volksoper“ im wahrsten Sinne des Wortes. Das Haus steht ja nicht umsonst in einer Gegend, in der die Menschen auch wirklich wohnen. Schon jetzt spricht die Volksoper sehr unterschiedliche Publikumsgruppen an, und genau das wollen wir beibehalten, die Basis sogar nochmals verbreitern. Mir schweben da etwa Begegnungen zwischen unserem Stammpublikum und Leuten vor, die vielleicht noch niemals im Theater waren, das ist mir ein echtes Anliegen. Musiktheater ohne Grenzen für ein Publikum ohne Grenzen.
- Theater ist work in progress
Theater ist eine lebendige Kunstform, nie ganz fertig. Sogar die 300. Vorstellung einer Produktion entwickelt sich noch: Eine Sängerin, ein Tänzer, eine Dirigentin macht irgendwas ein klein bisschen anders, ein Lacher im Publikum kommt eine Spur früher oder später. Wir haben uns im 20. Jahrhundert schon so an unveränderliche künstlerische Ausdrucksformen gewöhnt: Platten, CDs, Fernsehen, Film, alles scheint seine definitive Form gefunden zu haben, aber im Theater kann eben alles immer noch ganz anders werden, vielleicht ja sogar schiefgehen. Und genau das macht es zu einem spannenden Gemeinschaftserlebnis: Wir sind dabei gewesen, als es passiert ist! Diese besondere, lebendige Qualität von Theater wollen wir in jeder Hinsicht betonen.
- Suche nach der richtigen Form, eine Geschichte zu erzählen
Eine der Traditionen an der Volksoper ist das Übersetzen des gesungenen Textes ins Deutsche. Das ist für mich ein schönes Beispiel für die Identität dieses Hauses: Ein Ort, an dem man stets nach dem besten Weg sucht, um verstanden zu werden. Ich glaube, dieses Beispiel kann man sogar in einen noch größeren Kontext setzen: Wir müssen für jedes einzelne Projekt die richtige Form finden, um die jeweilige Geschichte zu erzählen. Das kann manchmal bedeuten, dass wir auf Deutsch singen, manchmal aber schafft gerade die Originalsprache weniger Distanz. Manchmal werden wir die Erwartungen des Publikums liebend gerne erfüllen, aber manchmal verlangt eine Geschichte vielleicht auch danach, alle Gewissheiten aufzugeben und die bekannten Form- und Bildsprachen auf den Kopf zu stellen. Aber nicht um zu schockieren, sondern um die Geschichte eben so treffend wie möglich zu erzählen. Die Volksoper kann das Haus sein, an dem man „Oper für das Volk“ macht, das heißt für Menschen von hier und heute. Sie kann ein Ort sein, an dem das Publikum weiß: Hier bekomme ich eine Geschichte zu sehen und zu hören, die genau mich anspricht, und zwar genau jetzt. Musiktheater, das Kopf, Herz und Bauch gleichermaßen berührt, spielt eine wichtige Rolle beim Bewältigen der turbulenten Zeiten, in denen wir gerade alle leben.
- „Art should comfort the disturbed and disturb the comfortable“
Ein treffendes Motto von Cesar A. Cruz. Wenn die Zeiten sich ändern, ändert sich auch die Art der Kunst, die die Menschen brauchen. Sind die Zeiten gut, soll Kunst ruhig aufrütteln und wachschütteln. Wenn es um uns herum aber dunkel und unsicher wird, ist vielleicht Unterhaltung die bessere Wahl. Theater kann ein Ort sein, an dem wir gleichzeitig berührt, stimuliert und unterhalten werden. Gerade jetzt ist vermutlich nicht die Zeit für Revolutionen im Theater, sondern für Restauration. Damit meine ich aber nicht Konservativismus oder denkfaules Zurücklehnen. Sondern Anschließen an eine lebendige Tradition.
- Fantasie macht die Wirklichkeit erträglich
Als ich in meiner Jugend die französischen Existenzialisten las, allen voran Albert Camus, da dachte ich: Das Leben ist sinnlos, ohne Zweck und Bedeutung. Sein einzig möglicher Wert liegt in unseren Versuchen, etwas Besseres zu erreichen. Kunst ist Ausdruck genau dieser Versuche. Wir singen, tanzen, erzählen einander Geschichten, wir zeichnen, kneten, spielen; und damit haschen wir nach dem Nirwana. Werden wir es finden? Natürlich nicht. Aber das befreit uns nicht von der Pflicht, danach zu suchen. Die Anstrengungen, Bemühungen, Versuche sind das Einzige, was zählt. Deswegen mache ich Theater.
Die Geschichte des Hauses
Die Volksoper Wien kann auf eine über hundert Jahre alte Geschichte zurückblicken.
Die heutige Volksoper Wien wurde 1898 als „Kaiserjubiläum-Stadttheater“ eröffnet und zunächst nur als Sprechbühne geführt. Erst 1903 wurden auch Opern und Singspiele in den Spielplan aufgenommen. 1904 wird aus dem Stadttheater Wien die Volksoper.
Tosca (1907) und Salome (1910) hatten an der Volksoper ihre Wiener Erstaufführung; weltbekannte Sängerinnen und Sänger wie Maria Jeritza, Leo Slezak oder Richard Tauber sind schon zu Beginn ihrer Karriere an der Volksoper aufgetreten; Alexander Zemlinsky wirkte hier als Dirigent und ab 1906 als erster Kapellmeister. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Volksoper zu Wiens zweitem repräsentativem Opernhaus, wurde aber ab 1929 wieder zu einem „Neuen Wiener Schauspielhaus", in dem auch „leichte“ Operetten gegeben wurden. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 brachte auch für die Mitarbeiter der Volksoper großes Leid. Die Direktoren Jean Ernest und Alexander Kowalewski wurden sofort ausgetauscht, Entlassungen auf allen Ebenen des Hauses folgten. Künstlerinnen und Mitarbeiter wurden verfolgt, vertrieben und ermordet. Die Volksoper wurde als „Opernhaus der Stadt Wien“ weitergeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Volksoper als Ausweichquartier für die zerstörte Wiener Staatsoper.
Nach der Wiedereröffnung der Staatsoper 1955 wurde die Volksoper wieder als selbständiges Musiktheater mit Oper, Operette und Musical geführt. Seitdem haben die Direktoren Franz Salmhofer (1955-63), Albert Moser (1963-73), Karl Dönch (1973-86), Eberhard Waechter (1987-92) Ioan Holender (1992-96), Klaus Bachler (1996-99), Dominique Mentha (1999-2003), Rudolf Berger (2003-2007) und Robert Meyer (2007-2022) das Profil der Volksoper geprägt.
Die Operette, Wien und die Volksoper
Am 21. Oktober 1858 präsentierte Jacques Offenbach seine erste abendfüllende Operette: Orpheus in der Unterwelt. Elf Tage zuvor ging mit seiner Verlobung bei Laternenschein erstmals ein Werk des neuen Genres über eine Wiener Bühne (10. Oktober 1858 im Carl-Theater). Bald nahm der Österreicher Franz von Suppé die Erfolgsfährte auf. Er und seine Nachfolger, von zahlreichen Kleinmeistern bis hin zu Johann Strauß, etablierten den Begriff „Wiener Operette“, ein Quell von Melodie und Heiterkeit, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu versiegen drohte. Doch auf die „Goldene“ folgte die „Silberne Ära“ der Operette, just zur Zeit der Eröffnung der Volksoper. Hier hat das Genre, das so charakteristisch für Wien ist, dauerhaft eine Heimstatt gefunden. Zu Recht gilt die Volksoper als das führende Operettenhaus der Welt. Erstklassige Sänger, Schauspieler und Tänzer sowie ein vielseitiges Orchester sorgen Abend für Abend für ein musikalisches Feuerwerk.
Die Technik hinter den Kulissen
In einem Theater steckt jede Menge Technik. Möchten Sie wissen, wie schnell sich der Vorhang heben kann, mit wie viel Gewicht die Bühne belastet werden kann ...?
Bühnenflächen:
Bühne
Bühnenfläche: 480m² mit max.500 kg/ m² belastbar,
nutzbare Bühnenbreite: 17,20 m
Bühnentiefe von der vorderen Portalkante zum Schiebefalttor: 19,00 m
Probebühnen
Probebühne 1 (Severingasse): 19,50 x 11,50m = 224 m²
Probebühne 2 (Severingasse): 17,00 x 12,00m = 204 m²
Ensemble- Proberaum (Severingasse): 62 m2
Probebühne 3 (Im Haus): 11,00 x 11,50m = 127 m²
Probebühne 4 (Stadtbahnbogen): 14,60 x 8,00m = 117 m²
Weitere Details zu den technischen Anlagen sind in der Technischen Leitung zu erfragen.
Orchestergraben
2 elektrisch angetriebene Hubpodien (vorne Einfachpodium, bühnenseitig Doppelstockpodium)
Tragfähigkeit 500 kg/m² statisch, 250 kg/m² dynamisch
Höhenverstellbar von: 0 bis -265 cm unter Bühnenniveau
Vorbühnenzüge:
Elektrozug für Lautsprechercluster, Nennlast 300 kg, Hub 13,65 m
Vorbühnenzug Beleuchtung, Nennlast 350 kg, Hub 15,6 m
Portalzone
Kurtine (Eiserner Vorhang)
H x B 9,10 x 15,25 m, Hub 8,4 m, Gewicht 5.740 kg
Hauptvorhang (Samt rot)
elektrisch raff- u. hebbar
Raffgeschwindigkeit: von 0,15 bis max. 3,0m/s
Hubgeschwindigkeit: von 0,00 bis max. 2,0m/s
Schleierzug elektrisch
Tragfähigkeit: 350 kg od. 150 kg Punktlast
Schalldämpfervorhang elektrisch
zusätzliche Nutzlast: 300 kg od. 150 kg Punktlast
Hubgeschwindigkeit als Schallvorhang von 0,0 bis max. 1,2 m/s
Hubgeschwindigkeit als Schwerlastzug von 0,0 bis max. 0,5 m/s
Portalbrücke
elektrisch angetrieben, bis max. 8,10 m Höhe fahrbar
Aufnahme zusätzlicher Lasten nicht gestattet!
Portalöffnung (in der Breite nicht verstellbar): 11,06 m
Schnürboden:
53 Prospektzüge, elektrisch
Nennlast je 350 kg gleichmäßig verteilt, oder 120 kg Punktlast
Zug 1 bis 53:
Hubhöhe: max. 21,65 m, Lattenlänge 16 m (Zug 5 bis 46)
Zug 1 bis 4 und 47 bis 53 kürzer!
Zug 54 – 57:
Hubhöhe max. 17,80 m, Lattenlängen 7,5 m bis 10,2, m
8 Punktzüge, elektrisch je 400 kg Nennlast,
Hubhöhe max. 22 m
Geschwindigkeit Prospekt- und Punktzüge max. 1,2 m/s
2 Schwerlastzüge elektrisch, zwischen Prospektzügen 33 und 38,
Nennlast je 700 kg gleichmäßig verteilt,
Hubhöhe 21,65 m, Geschwindigkeit max. 0,6 m/s, darin eingehängt:
hinteres Beleuchtergerüst Nutzlast 1100 kg
3 Rundhorizonte, elektrisch je Nutzlast 400 kg Nennlast/Punktlast, Hubhöhe max. 17,30 m
Vorderes Beleuchtergerüst elektrisch, Hubhöhe 13,10 m, Nutzlast 1.200 kg
Kombinations-Drehbühne:
Kernscheibe mit Hubstock
Außendurchmesser von 7,20 m
Drehgeschwindigkeiten von 0,0 bis max. 1,0 m/sec Umfangsgeschwindigkeit regelbar
Belastung 250 kg/m² dynamisch, 500 kg/ m² statisch
Hubhöhe bezogen auf Bühnenniveau von -7,42 m bis max. + 0,17 m
Hubgeschwindigkeit von 0,03 max. 0,3 m/sec stufenlos regelbar
Hublast: 5000 kg max.
Ringscheibe mit Versenkungsöffnungen
Außendurchmesser: 15 m
Innendurchmesser: 7,22 m
Drehgeschwindigkeiten von 0,0 bis max. 1,0 m/sec Umfangsgeschwindigkeit regelbar.
Belastung 250 kg/m² dynamisch, 500 kg/ m² statisch
verschiedene Versenkungsöffnungen an diversen Positionen
Versenkungsplattformen
3 stationäre Personen-Versenkungen mit Handantrieb und gegengewichtsausgleich, je 150 kg Nennlast
Einstieg unter Bühnenniveau: -2,88 m
Steuerung der Bühnenmaschinerie (Obermaschinerie und Drehscheiben mit Hubstock):
System "On Stage" Fa. Theatertechnische Systeme (TTS), Baujahr 2012-2013