zum Inhalt zur Navigation

suchen:

Loading...

Promethean Fire steht für einen Tanzabend, dessen Themen sich zwischen Hybris und Menschlichkeit, Katastrophe und Schönheit, Schöpfung und Vergänglichkeit aufspannen.

Monumentale Wucht und feiner Witz

Martin Schläpfer über die Premiere Promethean Fire

Premiere am Samstag, 11. Februar 2023

Ich denke, die Schnürung des Programms Promethean Fire ist eine wunderschöne: Paul Taylor und Paul Morris haben beide ihre künstlerische Heimat in New York gefunden, sie haben viele gemeinsame Wurzeln, sind aber ihre eigenen Wege gegangen – zwei Künstler, die zur Avantgarde des Modern Dance zählten, heute aber längst Klassiker sind. Ich freue mich sehr, diese beiden Künstler mit dem Wiener Staatsballett zu präsentieren. 

Promethean Fire ist ein Meisterwerk aus dem Jahr 2002. Paul Taylor zeigt uns in einer zum Zerreisen angespannten Atmosphäre und mit einer unglaublichen Wucht, dass wir Menschen trotz der Sprengkraft, welche die energetisch-charismatische Kommunikation durch den Körper zu entfalten vermag, schlussendlich immer an die Schwerkraft gebunden sind.

Mark Morris: Beaux. Daniel Vizcayo, Ensemble. Foto: Ashley Taylor
Mark Morris: Beaux. Daniel Vizcayo, Ensemble. Foto: Ashley Taylor

Beaux ist dagegen ein wunderbar humorvolles Statement gegen den teils verbissenen Ernst, mit dem wir derzeit die Rollen von Männern und Frauen debattieren. Mark Morris spielt mit feinem Witz, einer genauen Beobachtungsgabe und voller Leichtigkeit mit dem Klischee des Beau, des schönen Mannes. Nicht zuletzt, weil wir wirklich hinreißende Männer in unserer Compagnie haben, ist dieses Stück für mich ein fröhliches „Salz in der Suppe“, dem ich in der Mitte des Programms zwei Werke aus meinem eigenen Repertoire zu zwei Leuchttürmen der musikalischen Avantgarde entgegenstelle: György Ligetis Lontano und Ramifications.

Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik gehört für mich genauso in eine gute Programmierung wie die Auseinandersetzung mit zeitgenössischem Tanz. Und eine schöne Koinzidenz ist, dass die Musikwelt 2023 den 100. Geburtstag György Ligetis feiert!

MartinSchläpfer: Ramifications. Sonia Dvorak. Foto: Ashley Taylor
MartinSchläpfer: Ramifications. Sonia Dvorak. Foto: Ashley Taylor

In beiden Stücken sind die Tänzerinnen auf Spitze und zeigen, wie wunderbar der Spitzenschuh zu zeitgenössischer Musik passt. Zu den von Ligeti in der Fläche angelegten Kompositionen lassen sich mit ihm nicht nur perkussive Gegenrhythmen setzen, sondern in diese wie in eine Sumpflandschaft aus Klang hineinstechen oder bohren. Ramifications ist ein skulpturales, nicht zu fassendes Solo, das überall ist: innen wie außen. Lontano ist ein Pas de six in einer sehr klaren, geometrischen Struktur, die von einem Psychogramm überlagert wird. Beide schließen mit einem Ende der Zeit oder Ende dieser Realität, schwingen nach – hinein in eine andere Phase von Leben oder Geistigkeit. Das schien mir eine schöne Mitte nicht nur für dieses Programm zu sein, sondern ein wichtiger Gedanke für die gesamte Spielzeit.