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Bei der Oper geht es um Utopien

Ein Porträt des Opernregisseurs Harry Kupfer

Es gibt wohl kaum jemand, auf den die Aussage, er habe sein Handwerk „von der Pike auf“ gelernt, mehr zutrifft als Harry Kupfer. 1935 in Berlin geboren, wollte er eigentlich Sänger werden, wie er in Interviews erzählte, doch die Stimme reichte nicht. Also wandte er sich der Regie zu und entwickelte seine Ästhetik in der sogenannten Provinz der DDR, in Städten wie Halle, Stralsund, Weimar, Dresden. „In der DDR fühlte ich mich vom Publikum gebraucht“, sagte er einmal. „Dieses Gefühl, notwendig zu sein, das ist für einen Künstler etwas Ungeheuerliches.“ Die DDR hätte er, ab 1981 Chefregisseur der Komischen Oper Berlin, nur verlassen, „wenn man mir an die Seele gegangen wäre.“

Der verklebte Mund des Narren

Und doch gab es hier Grenzen für einen wie ihn, zwei Mal standen Arbeiten kurz vor dem Verbot, einmal bei Reimanns „Lear“, als der Narr sich den Mund zuklebte, einmal bei Mozarts „Zauberflöte“, als er ganz direkt auf das Zentralkomitee der DDR anspielte. „In der DDR hat das jeder Mensch verstanden.“ Dabei genoss Kupfer das Privileg, seit den 70er Jahren auch im Ausland inszenieren zu dürfen, seine erste Arbeit außerhalb der DDR war die „Elektra“ in Graz, weil er hier – wieder in der Provinz – die Arbeitsbedingungen vorfand, nach denen er suchte. Bald arbeitete er auch im Westen an den großen Häusern, in Wien inszenierte er etwa die Uraufführungen der Musicals „Elisabeth“ und „Mozart!“.

Kunst ist grundsätzlich politisch

„Kunst ist grundsätzlich politisch“, hat er einmal gesagt. „Da kann man sich drehen und wenden, wie man will. Irgendeine Aussage trifft man immer. Wenn man ein Stück interpretiert, setzt sich das immer mit Gegenwart auseinander. Manchmal hat man das Glück, dass die Botschaft verstanden wird, und manchmal geht es auch daneben.“ Dabei war er keiner, der Stücke zertrümmerte, immer ging es ihm um die Erzählung, die Figuren. Auch als Unterrichtender wollte er seinen Student:innen vermitteln was man braucht, um „eine Figur, die aus der Musik lebt, auf der Bühne lebendig werden zu lassen.“ Etwas, das auch seine eigene Arbeit prägte: „In der Oper gibt es ein Gesetz, und das ist die Partitur. Die ist verbindlich für alles, was auf der Bühne geschieht. Trotzdem bin ich als Regisseur frei, weil ich immer herausfinden muss, was das Stück für uns heute bedeutet, gebunden an unsere Wirklichkeit.“

Alle Fragen der Welt

Den Fall der Berliner Mauer erlebte er – obwohl er zu dieser Zeit in München arbeitete – in Berlin, gemeinsam mit seiner Frau wohnte er nahe der Grenze. „Ich war so glücklich, dass nicht ein Schuss gefallen ist“, sagte er später in einem Interview. Der „Haifischüberfall“ des Westens auf den Osten blieb lange sein Thema, ebenso die Suche nach Gegenentwürfen zu unserer Gegenwart: „Bei der Oper ging und geht es um Utopien. Utopien sind im wahrsten Sinne des Wortes notwendig, sie können die Kraft haben, Not zu wenden. Ich möchte alle Fragen der Welt in dieser schönen totalen Kunstform, der Oper, durchspielen, um dabei Vorschläge zu machen für das Zusammenleben der Menschen.“