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Pressezentrum

Pressebüro der Volksoper Wien

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Mag. Eva Koschuh
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Lass uns die Welt vergessen - Volksoper 1938

Ein Stück mit Musik von Theu Boermans & Keren Kagarlitsky

Am 14. Dezember 2023 feiert die Volksoper Wien ihren 125. Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums setzen wir uns mit unserer eigenen Vergangenheit auseinander und erzählen die Geschichten jener Menschen, die zwischen 1938 und 1945 verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. Hierzu hat der niederländische Theater- und Filmregisseur Theu Boermans eigens das Stück Lass uns die Welt vergessen - Volksoper 1938 geschrieben. Es ist eine Weltpremiere mit bereits bestehender Musik: Während im März 1938 das Ensemble die Operette Gruß und Kuss aus der Wachau von Jara Beneš, Hugo Wiener, Kurt Breuer und Fritz Löhner-Beda probt, dringt das aktuelle politische Leben in die Volksoper ein. Die fröhliche Unterhaltung und der Eskapismus der Operette prallen auf die kalte politische Relität der Nazi-Zeit. Die israelische Komponistin und Hausdirigentin Keren Kagarlitsky rekonstruierte die Partitur von Gruß und Kuss aus der Wachau, ergänzte sie mit als „entartet“ gebrandmarkter Musik und eigenen Kompositionen. Die Ensemblemitglieder von heute spielen die Ensemblemitglieder von damals.

NATIONALSOZIALISMUS PRALLT AUF ESKAPISMUS DER OPERETTENWELT

Operette war immer auch Eskapismus, Flucht aus dem Alltag in eine andere Welt, eine Traumwelt. Was jedoch, wenn sich dieser Alltag nicht mehr ignorieren lässt? Was, wenn die Vorgänge in der Welt so furchtbar sind, dass man sie nicht mehr vergessen kann? Wenn die Welt draußen in die heile Operettenwelt drinnen bricht? Was passiert mit den musikalischen Fantasien?

In den ersten Monaten des Jahres 1938 dringt das aktuelle politische Leben in die Volksoper ein, und zwar während der Proben zu der Operette Gruß und Kuss aus der Wachau. Was machen Intoleranz, Diskriminierung und Faschismus mit den Mitarbeiter:innen der Volksoper?

Politische Diskussionen und Anschuldigungen untergraben die Zusammenarbeit. Im Laufe der Proben bringt die Machtübernahme der Nationalsozialisten für die Volksoper gravierende Veränderungen mit sich: Entlassungen auf allen Ebenen des Hauses folgen, von Opernsängerinnen und -sängern über Dirigenten, Orchestermusiker und Librettisten. Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln oder ihrer politischen Einstellung verfolgt werden. Ein fesselnder Blick in den Spiegel der Vergangenheit kann auch eine Konfrontation mit einer schmerzhaften Periode in der Geschichte der Volksoper bedeuten. Dem wollen wir nicht aus dem Weg gehen.

In Lass uns die Welt vergessen bringt Regisseur Theu Boermans die schöne, fröhliche Unterhaltung der Beneš-Operette zurück auf die Volksopernbühne und stellt ihr die kalte politische Realität der Nazi-Zeit gegenüber.

Originalbühnenbild-Entwurf von Felix Smetana, Gruß und Kuss aus der Wachau © KHM-Museumsverband, Theatermuseum

NICHT DIE WIRKLICHKEIT, ABER DIE WAHRHEIT

Lass uns die Welt vergessen ist eine Weltpremiere mit bereits bestehender Musik. Für die Kreation des Stücks, das anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der Volksoper Wien auf die Bühne kommt, sind zahlreiche Künstler:innen und Mitarbeiter:innen unseres Hauses tief in die Geschichte vorgedrungen, um u.a. die Lebensgeschichten jener Menschen zu erzählen, die damals verfolgt und aus der Volksoper vertrieben wurden.

In einem Theater steht alles ein bisschen mehr im Rampenlicht. Sänger:innen und Musiker:innen, die in der Öffentlichkeit einen gewissen Ruhm genießen, erleiden das gleiche Schicksal wie die weniger berühmten Bewohner:innen Wiens. Das sichtbare Schicksal der Künstler:innen steht für das unsichtbare Schicksal sehr vieler Menschen.

Indem wir die Geschichte der Mitarbeiter:innen der Volksoper erzählen, wahren wir das Andenken an ALLE Opfer. Wir lassen gleichzeitig die Handlungen der Täterinnen und Täter nicht aus dem Blick, die jederzeit wieder passieren könnten, erinnern aber auch an die unzähligen, die ihre Stimmen nicht erhoben haben.

Der Text zu Lass uns die Welt vergessen stammt von dem erfolgreichen niederländischen Theater- und Filmregisseur Theu Boermans, den eine lange Geschichte mit Wien verbindet. Unter Hans Gratzers Intendanz arbeitete er am Schauspielhaus Wien, zeigte 2002 am Akademietheater eine umjubelte Version des Gilgamesh-Epos und inszenierte 2007 Shakespeares Ein Sommernachtstraum am Burgtheater. Über die Arbeit an Lass uns die Welt vergessen sagt er:

„Viele Rollen basieren auf realen Personen, die Situationen beruhen auf historischen Fakten und Ereignissen, aber dieses Stück ist eine freie Interpretation ihres Lebens und keine akribische Biografie. Wir haben den historischen Premierentermin von Gruß und Kuss aus der Wachau um einige Wochen nach hinten verschoben, um die bestehenden, zugrundeliegenden Konflikte deutlicher zu zeichnen. Dieses Stück zeigt nicht die Wirklichkeit, aber es zeigt die Wahrheit.

Eine wichtige Quelle für Theu Boermans beim Schreiben war Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt. Aus der Volksoper vertrieben – Künstlerschicksale 1938, die beeindruckende Studie von Dr. Marie-Theres Arnbom aus dem Jahr 2018 über vertriebene Künstler:innen der Volksoper.

Regisseur Theu Boermans beim Konzeptionsgespräch © Barbara Pálffy

EINE MUSIKALISCHE RÜCKKEHR IN DIE VOLKSOPER

Von dem ursprünglichen musikalischen Material von Gruß und Kuss aus der Wachau wurde nach einer langen und gründlichen Suche nur ein Klavierauszug gefunden. Und dieser Klavierauszug enthielt zudem einen alternativen, „arisierten“ Text. Dirigentin und Komponistin Keren Kagarlitsky rekonstruierte die Jara Beneš-Partitur von Gruß und Kuss aus der Wachau aus diesem Klavierauszug. Und unser unübertreffliches Musikarchiv rekonstruierte den ursprünglichen gesungenen Text von Fritz Löhner-Beda.

Es wird das erste Mal seit 1938 sein, dass diese Musik wieder in demselben Saal erklingt, für den sie ursprünglich geschrieben wurde. Keren Kagarlitsky komponierte zusätzliche Musik und arbeitete darüber hinaus auch Musik von verfemten und als „entartet“ gebrandmarkten jüdischen Komponisten wie Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Viktor Ullmann in die Produktion ein.

Lass uns die Welt vergessen wird eine schmerzhafte Auseinandersetzung mit unserer eigenen Geschichte sein, eine erneute Begegnung mit den fröhlichen Klängen der historischen Revue-Operette und ein faszinierendes Beispiel theatralischer Archäologie. Das Ensemble von heute spielt das Ensemble von damals.


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