ZWISCHEN ZEITOPER, MYSTERIENSPIEL UND TOTENTANZ
Kaiser Overall herrscht als Tyrann über Atlantis. Als er schließlich den Krieg Aller gegen Alle erklärt, beschließt der Tod, seinen Dienst zu verweigern. In einem demagogischen Akt präsentiert sich der Kaiser zunächst als Erfinder der Unsterblichkeit. Doch ohne Tod versinkt nicht nur das Land im Chaos, sondern ist auch die Macht Overalls gebrochen: Wenn die Menschen nicht mehr sterben, wer wird den Kaiser dann noch fürchten?
Im Angesicht der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten komponierte Viktor Ullmann 1943/44 im Konzentrationslager Theresienstadt mit seinem Kaiser von Atlantis ein erschütterndes Sinnbild gegen menschenverachtende Kriegstreiberei und totalitäre Machtstrukturen. Im Oktober 1944 wurde er – wie sein Librettist Peter Kien – mit dem sogenannten „Künstlertransport“ nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sein Kaiser von Atlantis spricht von einer tiefen Auseinandersetzung mit Leben und Tod in einem existenziellen Ausnahmezustand. Zugleich war für Ullmann das Schaffen von Kunst aber immer auch „Wille zum Leben“, und so ist sein Kaiser von Atlantis auch Hoffnung, Opposition und Mahnung – Musik, die überlebt hat, weil sie als überzeitliches Zeugnis der Freiheit und Menschlichkeit vor uns steht. Changierend zwischen Zeitoper, Mysterienspiel und Totentanz entfaltet Der Kaiser von Atlantis eine einzigartige theatralische Klangwelt, die Einflüsse Arnold Schönbergs und Gustav Mahlers ebenso zeigt, wie die Bewunderung für die Strenge und Klarheit Johann Sebastian Bachs und die Faszinationskraft des Jazz.