Toby Park
Wann wurdest du zum ersten Mal in deinem Leben durch (Musik--)Theater verzaubert? Und wodurch?
Ich ging in eine Vorschule, wo der Musiklehrer alle Lieder, die wir sangen, selbst schrieb und arrangierte. Ich erinnere mich an eine Produktion von Der Perlenfischer, als ich 7 oder 8 Jahre alt war, in der mein bester Freund die Hauptrolle spielte. Da ich Noten lesen konnte, musste ich das Bass-Xylophon spielen. Das bedeutete, dass ich alle Proben und Auftritte damit verbrachte, mit einem leisen Schlägel zu klimpern und meinen Freund zu beobachten (er hat sehr schlecht gespielt, zumindest ist das meine Erinnerung) und zu denken: „Was macht er?! Ich könnte VIEL BESSER sein.“ Ich schätze, das war eine Art Zauber oder zumindest der Anfang von Ehrgeiz, einer Vision, mich selbst auf einer Bühne darzustellen, umgeben von Musik und Gesang und Spaß für ein Publikum zu bieten. Und nicht das Bass-Xylophon zu spielen.
Ich denke, das erste Mal, dass es mir wirklich kreativ bewusst wurde, wie Musik und Theater auf einzigartig aufregende, kraftvolle Weise zusammenarbeiten können, war die Entwicklung der R.U.P.T.U.R.E-Shows, die ich mit der Schweizer Gruppe Karl’s Kühne Gassenschau gemacht habe. Riesige Kinobilder, Pyro, Stunts, elementares Feuer, Wasser, Gestein (man muss hier betonen, die Show fand in einem Steinbruch statt), sodass wir die Kraft der Atmosphäre dieses natürlichen Amphitheaters hatten; kombiniert mit einer gigantischen Menge Prog-Rocks, Funk, Jazz und großen Musicaltheater-Nummern. Gott, das hat Spaß gemacht!
Warum singen die Leute und warum sprechen sie nicht?
Wenn ein:e Darsteller:in auf der Bühne singt, anstatt zu sprechen, fühlt es sich an, als wäre alles möglich. Sie werden zu Übermenschen. Die Emotionen, die sie damit zum Ausdruck bringen werden durch verstärkt und diese entstandenen Superemotionen haben die Kraft Berge zu versetzen, übermenschlich zu lieben, Leben zu zerstören, Zivilisationen zu errichten! Genau das ist das Fantastische an Opern und Musiktheater im Allgemeinen.
Eine weitere Challenge ist es, Musiktheater – in unserem Fall hier: eine Operette – lustig zu gestalten, denn um komisch zu sein, müssen wir die Verletzlichkeit des Menschen zu sehen bekommen, denn der Mensch ist das Herz und die Seele dieser übermenschlichen Superemotionen.
Welche Rolle kann/soll Musiktheater in der heutigen Gesellschaft einnehmen?
Ich denke, jedes Theater hat die Macht, Menschen zusammenzubringen, gemeinsam einzigartige Erfahrungen zu sammeln und diese allein mit den Menschen, die im Hier und Jetzt bei uns sind, zu teilen. Wir sind heutzutage in unseren Erfahrungen beschränkt, wir versinken gedanklich in unseren Smartphone-Displays und sehen einander dabei nicht wirklich. Live-Entertainment hat in unserer Gesellschaft einen einzigartigen Platz eingenommen: Es bringt uns in unserem Fokus zusammen, in unserer Verbindung miteinander, an einem besonderen Ort und einer besonderen Zeit. Und ich denke, Musiktheater hat die Kraft, das auf einer höheren Ebene zu leisten, da es uns in einer sehr reinen, emotionalen Art und Weise zusammenbringt. Gemeinsam zu musizieren, sich zu bewegen und miteinander zu lachen, waren die Ursprünge der Kunst: Man saß gemeinsam um die Feuerstelle herum, trommelte auf hohlen Baumstämmen oder Tierfellen, spielte auf einer Flöte aus ausgehöhlten Knochen, jemand begann im flackernden Schein des Feuers zu tanzen, andere schlossen sich ihm an, und jene die zusahen, erfreuten sich an der Darbietung, die sie einander boten. Wir brauchen diese Verbindungen heute mehr denn je.
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Geboren in
Woodstock, Oxfordshire (UK)
Ausbildung
Schauspiel an der Hull University - BA (Special Honours), Fool Time Circus School in Bristol, École Philippe Gaulier et Monika Pagneux, Paris
Wichtige Engagements
1994-97: Musikalischer Leiter, Karl’s Kühne Gassenschau Zürich, 1997: Mitbegründer des Comedy-Ensembles Spymonkey, 1999-2000: Improbable Theatre’s Lifegame, New York off-Broadway, Improvising Musician, 2003-2005: Zumanity for Cirque du Soleil Las Vegas – Performer/Clown, 2015: Mack & Mabel am Chichester Festival Theatre – Physical Comedy Director, 2014: Fabulous Bäckström Brothers am Alexander Theatre Helsinki – Regie & Librettist, 2018: Merry Wives of Windsor mit der Royal Shakespeare Company – Physical Comedy Director, 2018: The Flop am Hijinx Theatre – Regie, 2019: Tartuffe am britischen Nationaltheater, 2022: Jack Absolute Flies Again am britischen Nationaltheater
Prägende Zusammenarbeit mit diesen Künstler:innen
Aitor Basauri, Petra Massey, Stephan Kreiss, Philippe Gaulier, Karl’s Kühne Gassenschau, Improbable Theatregroup, Cal McCrystal
Debüt an der Volksoper Wien
Erste Regiearbeit an der Volksoper: Orpheus in der Unterwelt (Saison 2022/23)
Bedeutende Preise & Ehrungen
2000: Total Theatre Award for Spymonkey’s Stiff
2007: Betty Mitchell Award, best musical for Spymonkey’s Bless
2011: Latest Award best comedy for Spymonkey’s Love In
2012: Brighton Angel Award for Spymonkey’s Oedipussy
2018: Total Theatre Award for Hijinx’s The Flop
Website
* Verwendung der Fotografie (© Alexis Chabala) nur für Zwecke der aktuellen Berichterstattung über die Volksoper Wien