Maurice Lenhard
Wann wurdest du zum ersten Mal in deinem Leben durch (Musik-)Theater verzaubert? Und wodurch?
Als ich ungefähr 5 Jahre alt war, bekam ich eine Kassette mit einer Kinderversion der Zauberflöte geschenkt. Ganz zu Beginn hörte man das Klappern und Knarzen einer Kutschfahrt – Mozart auf Reisen. Das war gruselig und faszinierend zugleich. Doch spätestens als die Königin der Nacht ihre Spitzentöne erklingen ließ, war ich in eine andere Sphäre katapultiert. Ich weiß nicht, wie oft meine Eltern und mein Bruder diese Arien hören mussten, aber die Faszination für Musiktheater hatte mich gepackt und sie ist geblieben!
Warum singen die Leute und warum sprechen sie nicht?
Sprache und Gesang völlig voneinander zu trennen ist für mich unmöglich. Auch wenn ein Mensch spricht, hören wir an der Melodie der Worte, was gemeint ist, wie sich die Person fühlt, wie das Gesagte zu verstehen ist … Trotzdem gibt es Dinge, die man nicht in Worte fassen kann. Emotionale Zustände, überbordende Gefühle, für die Sprache einfach nicht ausreicht. Dann übernimmt der Gesang. Und in künstlerischer Form ist das Produkt dieser gesungenen Kommunikation Musiktheater.
Welche Rolle kann/soll Musiktheater in der heutigen Gesellschaft einnehmen?
Musiktheater (und auch Theater generell) muss für mich keine Abbildung der Realität sein. Dafür können wir auch den Fernseher anmachen. Vielmehr geht es darum, Fragen aus unserem Alltag, Konflikte und Konstellationen in einer überhöhten, sublimierten Version betrachten zu können. Welch schöneres Mittel der Verführung und Verzauberung gäbe es dabei als die Musik? So kann uns Musiktheater bestenfalls dazu einladen, über uns und die Welt, in der wir leben, kritisch nachzudenken. Aber das ist nur eine Seite, denn Musiktheater muss auch Unterhaltung sein dürfen. Wenn wir es schaffen, eine aufregende Balance aus Gegenwartsbefragung und Eskapismus zu erreichen, dann wird Musiktheater noch eine lange Zukunft haben.
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Geboren in
Gelnhausen (Deutschland)
Ausbildung
Gesang an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, Hochschule für Musik und Theater Hamburg (Theaterakademie)
Wichtige Engagements
Il barbiere di Siviglia an der Deutschen Oper am Rhein (Regie), Die Geschichte vom Soldaten an der Staatsoper Stuttgart (Regie), Les Indes galantes am Grand Théâtre de Genève (Regiemitarbeit bei Lydia Steier), Die Zauberflöte bei den Salzburger Festspielen (Dramaturgie), Don Carlos an der Staatsoper Stuttgart (Regiemitarbeit bei Lotte de Beer)
Prägende Zusammenarbeit mit diesen Künstler:innen
Lydia Steier, Lotte de Beer, Demis Volpi u.v.m.
Debüt an der Volksoper Wien
Erste Regiearbeit an der Volksoper: Die Dreigroschenoper (Saison 2022/23)
Ab Herbst 2022/23 Künstlerischer Leiter des Opernstudios
Bedeutende Preise & Ehrungen
Nominierung der Inszenierung Die Geschichte vom Soldaten (Staatsoper Stuttgart) für den Sonderpreis des Opus Klassik 2020 in der Kategorie „Herausragende künstlerische Leistung während der Corona-Pandemie”
Website
https://www.mauricelenhard.de/
* Verwendung der Fotografie (© Sandra Then) nur für Zwecke der aktuellen Berichterstattung über die Volksoper Wien