Miguel Alejandro Castillo Le Maitre
Wann wurdest du zum ersten Mal durch Musiktheater verzaubert? Und wodurch?
Ich erinnere mich gut an eine Live-Vorstellung als ich ungefähr sechs Jahr alt war. Das war bei einer Vorstellung von Oto el Pirata, einem Tanztheaterstück, das 1984 von der Tänzerin, Choreografin und Autorin Adriana Urdaneta geschrieben wurde. Die Geschichte erzählt die Abenteuer von Oto Dorado Cachún Bambei, einem Mestizenjungen, der zur Zeit der Sklaverei mitten im venezolanischen Dschungel geboren wird. Ottos leidenschaftliche Sehnsucht nach Freiheit führt dazu, dass er eine Armee aufbaut, die tropische Früchte als Waffen benutzt, um die Schätze des Landes zu schützen und schließlich die Menschen zu befreien. Während seiner epischen Reise freundet sich Oto mit einer Nation an, verliebt sich in Fireya (eine Origamiprinzessin, deren Mund nach Guave schmeckt) und feiert die Kraft der Gemeinschaft. Die Inszenierung umfasste ein Ensemble von fast 70 Tänzer:innen und Akrobat:innen unter der Leitung von DanzaHoy, der damals renommiertesten Tanztruppe der Region. Das Bühnenbild bestand aus riesigen Holzbooten, Hängebrücken und riesigen blauen Stoffbahnen, die das Publikum einhüllten und uns in die Wellen der Karibik versetzten. Kurz vor der Pause fand Oto einen Schatz voller goldener Schokoladentafeln, und jedes Kind im Publikum durfte eine davon haben. Ich weiß noch, wie ich mit meiner Mutter sprachlos auf einer Bank saß und meinen Schokoriegel aß. Ich war nirgendwo, schwebte in der Zeit, verzaubert von einer wunderbaren Utopie aus tropischen Klängen, Geschmäckern, Abenteuern und der Gesellschaft meiner Mutter.
Warum singen die Leute und warum sprechen sie nicht?
Musik hat die Fähigkeit, die Ecken zu erreichen, die die Sprache nicht erreichen kann.
Welche Rolle kann/sollte Musiktheater in der heutigen Gesellschaft einnehmen?
Ich schaffe etwas, um zu verstehen und meine Reaktion auf einen bestimmten Kontext, ein Phänomen oder eine Realität mitzuteilen, in der Hoffnung, dass es eine neue Perspektive einbringt und zum kritischen Denken anregt. Ich lasse politische Themen wie Klimawandel, Homophobie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, wirtschaftliche Ungleichheit usw. in meine Arbeit einfließen. Das Theater kann ein Raum sein, in dem größere Fragen der Gesellschaft gestellt werden. Ein Ort, an dem sich das Publikum einer Realität stellen kann, die es sonst ignorieren würde. Theater ist ein Ritual, bei dem wir alle zusammenkommen. Durch Katharsis, dem erholsamen Akt der Reinigung oder Läuterung von Emotionen durch die Kunst, wird das Publikum aufgefordert, sich selbst zu erneuern, und jeder Akt der Erneuerung hat das Potenzial für Veränderungen.
Geboren in
Caracas, Venezuela
Ausbildung
International Baccalaureate am Pearson College UWC
Bachelor in Tanz und Theater am Middlebury College
M.F.A in Choreographie und Performance am Smith College
Fünf bis zehn wichtige Engagements
Bewegungsregisseur für Prisoner of The State, eine neue Oper von David Lang in der New York Philharmonic.
Auftragskünstler in Residence am Abrons Arts Center
Dance WEB Stipendiat beim Impulstanz Festival in Wien
Regisseur und Choreograph von RA: Songs of the past, Voices of the Future, einem von Akhnaten inspirierten Gemeinschaftsprojekt. In Zusammenarbeit mit The Metropolitan Opera, Sean Gandini Jugglers, Sing Harlem, Bronx Arts Ensemble, P.S 083 Donald Hertz und der Künstlerin Lexy Ho-Tai. Aufgeführt am Hearst Plaza im Lincoln Center, in der Zentralbibliothek der Brooklyn Public Library, in der New York Hall of Science und in der Mall at Bay Plaza.
Mitglied des Agile Rascal Bicycle Touring Theatre
Probenleiter für Glass-Handel, eine immersive, multimediale Operninstallation
Assistenzchoreograph und Tänzer für Bernsteins MASS, aufgeführt in der Walt Disney Concert Hall und der Geffen Halle im Lincoln Center
Regieassistent für Tristan und Isolde an der Santa Fe Opera
Darsteller in Faye Driscolls neuestem Werk Weathering
Prägende Zusammenarbeit mit folgenden Künstler:innen
Jeanine Durning, Maria Hassabi, Faye Driscoll, Tzveta Kassabova, Alex Springer, Xan Burley, Peter Schmitz, Laurel Jenkins, Delfos Danza Contemporánea, Zack Winokur, Elkhanah Pulitzer, Maria Egea
Debüt an der Volksoper Wien
Choreographie für The Gospel According to the Other Mary (Saison 2023/24)
Bedeutende Ehrungen & Preise
Andrea Olsen Dance Prize für Interdisciplinary Work (U.S. 2018), Marie Lafferty Cortell Theatre Award (U.S 2018)
Website
* Verwendung der Fotografie (© Jaan Altosaar) nur für Zwecke der aktuellen Berichterstattung über die Volksoper Wien