Carmen Schabracq
Wann wurdest du zum ersten Mal von Musiktheater verzaubert? Und wodurch?
Das erste bezaubernde Theatererlebnis in meinem Leben war ein italienischer Zirkus, der in meiner Heimatstadt gastierte, als ich noch ein Kind war. Ich glaube, er hieß Fiorentino. Es war so aufregend, spannend und sogar ein bisschen beängstigend, im Publikum auf der Tribüne des Zirkuszeltes zu stehen. Als wir über das Zirkusgelände spazierten, wo alle Wagen der Artisten standen, kamen wir am Wagen der Wahrsagerin vorbei, die auch Carmen hieß. Ich war beeindruckt von der Lebensweise des reisenden Zirkus, zusammen mit all den Artist:innen, Tieren und Arbeiter:innen. Auch das Gefühl, ein Komplize zu sein oder Teil der Show zu sein, indem ich im Publikum sitze, hat mich sehr beeindruckt. Ich habe immer noch eine große Liebe für den Zirkus. Erst später, vor ungefähr zehn Jahren, habe ich zum ersten Mal ein Stück von Romeo Castellucci in Antwerpen gesehen. Das war ein Augenöffner für mich. Da wurde mir klar, dass Theater viele Formen annehmen kann und dass die Grenze zwischen bildender Kunst und Theater sehr dünn sein kann oder sogar verschwinden kann. Ich sah eine Form der Kunst, die ich vorher nie gesehen hatte. Ich finde die Vielschichtigkeit des Theaters sehr interessant und gehe es an wie ein bildender Künstler.
Warum singen die Leute und warum sprechen sie nicht?
Sing es, wenn du es nicht sagen kannst, heißt es, oder? Ich glaube, dass Singen ein befreiender Akt sein kann, wie Tanzen, und dass es sehr heilsam sein kann. Manchmal können Dinge, die zu schwer oder schmerzhaft sind, um sie in Worten auszusprechen, nur durch Gesang oder eine andere künstlerische Form zum Ausdruck gebracht werden. Die heilende Kraft von Gesang und Tanz ist in vielen Ritualen und Traditionen auf der ganzen Welt zu finden. Als Zuhörer:in wirkt das Singen mehr auf die Emotionen als das Sprechen und kann daher viel mehr vermitteln als nur der Text selbst.
Welche Rolle kann/sollte Musiktheater in der heutigen Gesellschaft einnehmen?
Ich glaube nicht, dass es eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt. Ich denke, dass Kunst im Allgemeinen eine sehr wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt. Sie kann kritisieren, in Frage stellen, Gespräche anregen, verzaubern, zum Träumen anregen, berühren, ermächtigen, enthüllen, spielen, überraschen, provozieren, zum Nachdenken anregen, eines dieser Dinge tun, etwas anderes, oder alles gleichzeitig und vieles mehr. Wie Rituale in ländlichen Gegenden, die jedes Jahr wiederkehren, um zum Beispiel den Frühling und die Fruchtbarkeit zu feiern oder im Winter die bösen Geister zu vertreiben, hält Kunst eine Gemeinschaft oder Gesellschaft gesund.
Geboren in
Amsterdam (Niederlande)
Ausbildung
Nach einem einjährigen Studium der Malerei an der Accademia di Belle Arti in Rom, studierte Carmen Bildende Kunst an der Gerrit Rietveld Academy (BA 2012) und absolvierte anschließend ihren Master in Theaterkostümdesign an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen (MA 2015).
Fünf bis zehn wichtige Engagements
2013: Bühnenbild für die Konzertreihe De IJ-Salon im Muziekgebouw aan het IJ in Amsterdam
2015: Teilnahme an einem Meisterkurs von Romeo Castellucci auf der Biennale del Teatro di Venezia
Spielzeit 2017-2018: "new makers grant" des Performing Arts Fund NL, mit dem sie zwei In-situ-Performances mit dem Theater Productiehuis Zeelandia machte. Zuvor war sie Artist in Residence in der Casa Lü in Mexiko-City, dem Vincent van Gogh Haus in Zundert, ARV.International in Bulgarien, dem Kunsthuis SYB in Beetsterzwaag und BijlmAIR in Amsterdam Zuidoost
2019: im Auftrag der Nordsee-Botschaft The Seamouth, eine interaktive Skulptur, um der Stimme der Nordsee zu lauschen
Sie arbeitete mit Theatergruppen und Festivals wie Dood Paard, Stichting Like Minds, Rosa Ensemble, Zeeland Nazomer Festival, Oerol und Zuidpool
Mit der Regisseurin Lisenka Heijboer Castañón arbeitete sie bereits für die Oper Vrouwenstemmen beim Amsterdamer Grachtenfestival und für die Oper I have missed you forever der Niederländischen Nationaloper, die beim Opera Forward Festival 2022 uraufgeführt wurde
Carmens Arbeiten wurden in Ausstellungen im Stedelijk Museum Breda, Galerie Fleur en Wouter, CBK Zuidoost, Museum Tot Zover, Nest Ruimte, No Limits! Art Castle, dem Vincent Van Gogh Haus und anderen präsentiert
Debüt an der Volksoper Wien
Kostüme The Gospel According to the Other Mary (Saison 2023/24)
Bedeutende Preise & Ehrungen
New makers grant, Performing Arts Fund NL, mit dem sie zwei Aufführungen vor Ort durchführte
Website
* Verwendung der Fotografie (© Saskia Hardus) nur für Zwecke der aktuellen Berichterstattung über die Volksoper Wien